Ötscherwanderung im Zeichen des Klimawandels
Alpine Pflanzen und ihre Überlebensstrategien
Radiogärtner Johannes Käfer und Klimatologe Andreas Jäger bestiegen am 16.07.2022 mit rund 60 interessierten Personen aus der Region und darüber hinaus von Lackenhof aus den Ötscher und vermittelten dabei Wissen über alpine Pflanzen, deren einzigartigen Überlebensstrategien und die Folgen des Klimawandels.
16.07.2022 – Lackenhof am Ötscher
Das markante Ötschermassiv nimmt sowohl aus vegetationsökologischer als auch meteorologischer Sicht eine besondere Stellung ein. Um die komplexen Zusammenhänge zwischen alpiner Flora, Wetter und Klima besser verstehen zu können veranstaltete der Naturpark Ötscher-Tormäuer im Rahmen von 100 Jahre Niederösterreich daher eine Wanderung im Zeichen des Klimawandels. Die Experten Andreas Jäger und Johannes Käfer fanden entlang des Weges immer wieder spannende Plätze und Pflanzen, um auf anschauliche Weise tiefe Einblicke in die Vielfalt und Besonderheiten der alpinen Pflanzenwelt sowie die Auswirkungen des Klimawandels und die damit einhergehenden Folgen für die Flora zu geben.
Die Wanderung hat eindrücklich gezeigt wie Klimawandel und Biodiversitätskrise zusammenhängen und sich gegenseitig beeinflussen.
Unter den Gästen fanden sich neben vielen Interessierten Meschen aus dem Mostviertel zum Beispiel auch Gerhard Wotawa, Führungskraft in der ZAMG und gleichzeitig Obmann des Climate Change Centers Austria.
„Viele der Pflanzen, die in der subalpinen Höhenzone des Ötscher leben, mussten sich über die Jahrtausende an die extremen Bedingungen anpassen. Faktoren wie geringes Nährstoffangebot, kurze Zeitfenster in denen Wachstum und Fortpflanzung möglich sind, lange Winter mit Schnee, Eis und viel Wind führten dazu, dass mache Pflanzen tief in die Trickkiste greifen mussten, um überhaupt am Berg überleben zu können. So bildet zum Beispiel die Silberwurz mit ihren acht Blütenblättern einen kleinen Parabolspiegel aus, um das Sonnenlicht in der Blüte zu fokussieren. So werden von der Wärme Insekten in die Blüte gelockt. Gleichzeitig wird die Blüte bestäubt und die Pflanze kann sich so fortpflanzen“, erzählt Johannes Käfer.
Andreas Jäger ergänzt: „Die Sonneneinstrahlung in der höheren Lage ist um ein Vielfaches höher als in tieferen Lagen. Auf den Bergen verstärken sich zwei Effekte: Zum einen müssen die Sonnenstrahlen auf den Bergen weniger Luft durchdringen und werden daher weniger abgeschwächt. Zum anderen ist die Luft auf den Bergen dünner als im Tal, was es den Sonnenstrahlen noch leichter macht.“
Ein besonderes Augenmerk der beiden Experten fiel auf die Baumgrenze. Durch die Erwärmung des Klimas, können sich auch heimische Gehölze wie Schwarzerlen, Vorgelberen oder Fichte immer höher am Ötscher ansiedeln. Das kann dazu führen, dass sich die Landschaft und auch die Artenzusammensetzung am Vaterberg in den kommenden Jahrzenten komplett ändert.
„Eine Anpassungsstrategie von Pflanzen in der Höhenlage ist die Reduktion auf das Wesentliche. Manche Pflanzen wie zum Beispiel die Fichte, werden unter optimalen Wuchsbedingungen 20-25 Meter hoch. Am Berg reduzieren die Gehölze ihr Wachstum so stark, dass sie in der gleichen Zeit nur wenige Zentimeter wachsen. Es kann sein, dass ein Bäumchen mit 1,5 Meter Höhe bereits 70 Jahre oder älter ist. Die Jahresringe dieser Pflanzen sind oft so dicht gedrängt, dass sie mit freiem Auge nicht ablesbar sind“, so Käfer.
Andreas Jäger ergänzt die klimatologische Sicht auf die Jahresringe: „Durch die Erforschung von Jahresringen, können recht genaue Rückschlüsse auf das Klima vergangener Zeiten geschlossen werden. Wie wir gerade gehört haben, beschreiben Jahresringe die Wuchsbedingungen eines Baumes. So lassen sich zum Beispiel Kälte- oder Wärmeperioden, oder auch Niederschlagsmengen gut aus den Jahresringen ablesen. Vergleicht man die Jahresringe vieler, immer älteren Bäume, deren Ringe sich an den Rändern überlappen, kann man sich von Baum zu Baum tief in die Vergangenheit hanteln. Einzelne Zeitreihen dieser Jahresringanalysen reichen unglaubliche 12.000 Jahre zurück. In Bezug auf unserer jetzige Klimasituation lässt sich mit solchen und anderen Methoden so eine klare Aussage treffen – seit es Menschen auf diesem Planeten gibt, war es nie so warm wie heute. Wir steuern auf eine gänzlich neue Klimasituation zu und es liegt der Schluss nahe, dass es für viele Lebewesen, inklusive uns Menschen, sehr ungemütlich wird.“
Die Bemühungen des Naturparks Ötscher-Tormäuer, sich den klimatischen Herausforderungen der kommenden Zeit aktiv zu stellen, scheinen sich einmal mehr als gute Richtung zu erweisen. Neben den Aktivitäten der KLAR! (Klimwandelanpassungsmodelregion) in denen regionale Anpassungswege unterstützt werden, nimmt auch das Klimaforschungzentrum Ötscher – Klimawandellösungen für den alpinen Kulturraum immer konkretere Formen an.
Florian Schublach, Naturparkleiter: „Mit dem Vorhaben ein Klimaforschungszentrum in der Region rund um den Ötscher zu etablieren, soll disziplinenübergreifende Forschung, vor Ort zu zukunftweisenden Fragen rund um Klimawandel und Biodiversität entstehen. Damit hat die Region die einmalige Chance wissenschaftliche Daten mit den Bedürfnissen und Fragestellungen der in der Region arbeitenden Menschen zu verknüpfen und so auch tatsächlich etwas zu bewegen.“